Private und öffentlich-rechtliche Arbeitgeber, die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, sind lt. § 71 Abs. 1 SGB IX dazu verpflichtet, mindestens 5% dieser Arbeitsplätze an Menschen mit Schwerbehinderung zu vergeben.

Von 173.000 Unternehmen in Deutschland besetzen 25% keinerlei Arbeitnehmer/innen mit Behinderung. Stattdessen bezahlen diese die sogenannte Ausgleichsabgabe. Wie hoch diese z.B. in Bayern ist, könnt ihr bei Interesse hier nachlesen: ZBFS – Ausgleichsabgabe (bayern.de).

Immerhin 40% der Unternehmen halten sich derzeit an die Vorschrift und 35% beschäftigen zumindest einen Anteil an Menschen mit Behinderung.

Was sind die Gründe, dass Unternehmen es vorziehen Gelder zu bezahlen, anstatt auch schwerbehinderte Mitarbeiter zu beschäftigen?

Keine Leistungsunterschiede erkennbar

Laut einer Studie von Aktion Mensch stellen 80% der Mitarbeiter keine Leistungsunterschiede zwischen Kolleg/innen mit und ohne Behinderung fest.

Niedrige Fluktuation

Bestehende Arbeitsverhältnisse schwerbehinderter Mitarbeiter gelten außerdem als sehr stabil – im Jahr 2021 gab es mit 19.746 so wenig Anträge auf Kündigung von Menschen mit Behinderung wie noch nie seit Erscheinen des ersten Inklusionsbarometers.

Zur Studie und dem Inklusionsbarometer geht es hier: Inklusionsbarometer Arbeit 2022 | Aktion Mensch (aktion-mensch.de)

Viele schwerbehinderte Menschen sind daher langzeitarbeitslos. Doch es kommen noch weitere Gründe hinzu. Oftmals ist die Hemmschwelle, sich überhaupt zu bewerben außerordentlich hoch, da sich betroffene benachteiligt und verunsichert fühlen. Das betrifft vor allem das weibliche Geschlecht.

Geschlecht & Behinderung

Besonders, quasi doppelt im Nachteil fühlen sich Frauen mit Schwerbehinderung auf dem Arbeitsmarkt. Im Durchschnitt verdienen weibliche Erwerbstätige mit Behinderung 667 Euro netto weniger pro Monat als ihre Männer mit Behinderung. Zudem erhalten sie selten Vollzeit- und Führungspositionen. Gerade mal jede Zehnte arbeitet in einer leitenden Position. Hinzu kommt, dass erwerbstätige Frauen mit Schwerbehinderung in Partnerschaften stärker durch Haushalts- und Familienaufgaben belastet sind als das männliche Pendant.

Das Ergebnis ist auf eine Studie zurückzuführen, die die Aktion Mensch in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut SINUS veröffentlicht hat.

Frauen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt | Aktion Mensch (aktion-mensch.de)

Diskriminierung in Vorstellungsgesprächen

In Bewerbungsprozessen fühlen sich insbesondere Frauen mit Schwerbehinderung diskriminiert und glauben, aufgrund ihrer Behinderung auch seltener zu Vorstellungsgesprächen eingeladen zu werden.

Insbesondere, wenn die Schwerbehinderung nicht offensichtlich ist, führt dies oft zu Missverständnissen, doch die betroffenen scheuen sich oftmals ihre Schwerbehinderung anzugeben, aus Angst davor, direkt im Nachteil zu sein.

Was können wir also tun, um die negative Last aus diesem Thema zu nehmen?

Wir brauchen einen Arbeitsmarkt, der individuelle Stärken und Qualifikationen von Bewerber/innen sieht und sich Inklusion und Gendergerechtigkeit zum Standard macht.

Unternehmen sollten meiner Meinung nach Rahmenbedingungen kreieren, die Menschen darin supportet, offen mit ihrer Behinderung umzugehen. Diversität, flexible Arbeitsmodelle, Unterstützungsmöglichkeiten.

Das sollte bereits in den Stellenausschreibungen und der Unternehmenskultur dargelegt und kommuniziert werden, sodass Erwerbstätige mit Schwerbehinderung keine Angst oder Hemmung haben, sich zu bewerben.

Inklusion ist erst dann real, wenn Vielfalt zur Norm wird.

Behinderte Menschen – Statistisches Bundesamt (destatis.de)

Wie ist es in eurem Unternehmen?

Beschäftigt ihr schwerbehinderte Kolleg/innen? Stellt ihr Leistungsunterschiede fest zu Menschen ohne Schwerbehinderung?